Beschlüsse

Lan­des­par­tei­rat Schleswig-​Holstein

Inzwi­schen wirkt die Dis­kus­sion um die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung wie ein gewohn­tes und lieb­ge­won­ne­nes Ritual: Innen­po­li­ti­ker for­dern stur eine Wie­der­ein­füh­rung der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung. Ebenso unre­flek­tiert leh­nen die Geg­ner der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung kate­go­risch die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ab.

Der AK Digi­tale Gesell­schaft der SPD Schleswig-​Holstein tritt für eine Ver­sach­li­chung der Dis­kus­sion ein. Die eigent­li­chen Pro­bleme mit dem bis­he­ri­gen Kon­zept der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung sind aus dem Fokus der Dis­kus­sion geraten.

Die SPD hat sich bereits an ver­schie­de­nen Stel­len für einen dif­fe­ren­zier­ten und pro­zess­ori­en­tie­ren Umgang mit den For­de­run­gen der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den eingesetzt.

Aus­gangs­po­si­tion der SPD ist und muss blei­ben: Die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ist nicht not­wen­dig! Sie ist in ihrer bis­he­ri­gen Aus­füh­rung mit dem Grund­ge­setz nicht vereinbar.

Selbst den hart­lei­bigs­ten Innen­po­li­ti­kern sollte nicht unter­stellt wer­den, dass Sie bewusst einen Bruch des Grund­ge­set­zes im Hin­ter­kopf haben, wenn Sie eine Wie­der­ein­füh­rung oder Neu­ge­stal­tung der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung for­dern. Viel­mehr wird hier eine äußerst frag­wür­dige Maß­nahme gewählt, um Defi­zite in der Arbeit der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den zu beheben.

Aktu­ell attes­tie­ren sich die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den eine Lücke in der eige­nen Auf­klä­rungs­ar­beit. Zwi­schen mög­li­cher Straf­tat im Inter­net und Auf­nahme der Ermitt­lun­gen lie­gen häu­fig meh­rere Wochen oder Monate. In der „Offline-​Welt“ ist diese Lücke bereits äußerst kri­tisch. In der digi­ta­len Gesell­schaft ist diese Lücke jedoch kata­stro­phal. Die Gründe für diese Lücken sind viel­fäl­tig, letzt­lich zei­gen Sie jedoch klar auf, dass qua­li­ta­tive Ver­bes­se­run­gen auf Sei­ten der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den not­wen­dig sind und nicht das Deh­nen des Grund­ge­set­zes bis an die Belastungsgrenze.

Diese qua­li­ta­ti­ven Ver­bes­se­run­gen sind im Zeit­al­ter knap­per Lan­des­haus­halte unpo­pu­lär. Eine Ver­bes­se­rung der Arbeit der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den ist eng mit einer ver­bes­ser­ten Sach­au­stat­tung und per­sön­li­cher Fort­bil­dung und Schu­lung verbunden.

Die Ent­schei­dung für die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung hat vor allem wirt­schaft­li­che Hin­ter­gründe. Umfang­rei­che Ände­run­gen in den Pro­zes­sen der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den sind hier­mit nicht not­wen­dig. Viel­mehr kann mit der beste­hen­den Unter­ver­sor­gung und schlech­ten Koor­di­na­tion wei­ter­ge­ar­bei­tet werden.

Die Kos­ten für die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung tra­gen die über­wie­gend pri­vat­wirt­schaft­lich orga­ni­sier­ten Inter­net­pro­vi­der. Wer also eine Vor­rats­da­ten­spei­che­rung for­dert, tritt somit für ein Out­sour­cing staat­li­cher Kern­auf­ga­ben der Gefah­ren­ab­wehr auf die Pri­vat­wirt­schaft ein.

Die dama­lige Umset­zung der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung genügte nicht den hohen Anfor­de­run­gen an eine revi­si­ons­fä­hige Daten­ver­ar­bei­tung. Detail­lierte tech­ni­sche Vor­ga­ben waren nicht vor­han­den und eine regel­mä­ßige Prü­fung der kor­rek­ten Umset­zung wurde nicht durchgeführt.

Der AK Digi­tale Gesell­schaft for­dert alle Betei­lig­ten auf, den fol­gen­den gesell­schaft­lich getra­ge­nen und trans­pa­ren­ten Pro­zess anstelle der dump­fen For­de­rung oder Ableh­nung einer Daten­spei­che­rung auf Vor­rat zu etablieren:

1. Jeg­li­che Spei­che­rung von Daten auf Vor­rat wird zunächst nicht ein­ge­führt.

2. Bedarfs­trä­ger wie Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den sind in der Nach­weis­pflicht, dass eine Lücke in der Straf­ver­fol­gung besteht, die nicht durch per­so­nelle Wei­ter­ent­wi­ckung, Pro­zess­re­or­ga­ni­sa­tion oder Austat­tung mit Sach­mit­teln geschlos­sen wer­den kann. Der Nach­weis ist öffent­lich zu füh­ren.

3. Auf Basis der nach­ge­wie­se­nen, nicht schließ­ba­ren Lücken in der Straf­ver­fol­gung wird eine jähr­lich befris­tete Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ein­ge­rich­tet.

4. Es wird eine staat­li­chen Stelle als Daten­treu­hän­der ein­ge­rich­tet, die pseud­ony­mi­siert spei­chert. Die Spei­che­rung ist zeit­lich streng limi­tiert. Die Stelle infor­miert nach Abschluss eines Ver­fah­rens alle Betrof­fe­nen. Sie gibt einen jähr­li­chen Bericht ab. Der Bericht kann in einen mög­li­cher­weise inhalt­lich beschränk­ten Teil für die Öffent­lich­keit und einem gänz­lich unbe­schränk­ten Teil gegen­über dem zustän­di­gen Gesetz­ge­ber und dem Par­la­ment auf­ge­teilt wer­den. Die Stelle unter­liegt beson­de­ren Trans­pa­renz­an­for­de­run­gen. Sie ver­öf­fent­licht detail­lierte Beschrei­bun­gen aller mit der Spei­che­rung und Ver­ar­bei­tung ver­bun­den­den Sys­teme und Pro­zesse. Die Not­wen­dig­keit der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung wird jähr­lich eva­lu­iert.

5. Die Vor­rats­da­ten unter­lie­gen einer engen Zweck­bin­dung. Es gilt ein Ver­wer­tungs­ver­bot in Pro­zes­sen außer­halb der Straf– und der Finanz­ge­richts­bar­keit. Eine Ver­wer­tung die­ser Daten in zivil­recht­li­chen Fäl­len ist aus­ge­schlos­sen. In Straf– und Finanz­ge­richts­pro­zes­sen dür­fen die Daten nur unter Rich­ter­vor­be­halt für die Ver­fol­gung schwe­rer Straf­ta­ten genutzt wer­den.

Jeg­li­cher Ein­griff in die Grund­rechte erfor­dert eine nach­voll­zieh­bare und über­prüf­bare Begrün­dung. Gerade die Innen­mi­nis­ter der Län­der sind gefor­dert, die­sen Nach­weis trans­pa­rent zu füh­ren und einen gesell­schaft­li­chen Dis­kurs zu suchen.